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11.11.2019 Kongress

>>Das Beste können wir gemeinsam bewegen<<

Interview mit DIVI-Kongresspräsident Prof. Böttiger

Prof. Dr. Bernd Böttiger, Foto: Klaus Schmidt
Prof. Dr. Bernd Böttiger, Foto: Klaus Schmidt

Der DIVI2019 ist die wichtigste Veranstaltung für alle Intensiv- und Notfallmediziner. Mehr als 6.000 Ärzte, Rettungssanitäter, Therapeuten und Pfleger werden zum Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vom 4. bis 6. Dezember 2019 in Hamburg erwartet. Im Interview erläutert Univ.-Prof. Dr. Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Uniklinik Köln und diesjähriger DIVI-Kongresspräsident, welche Ehrengäste er erwartet, welche neuen spannenden Formate etabliert wurden und welche politischen Impulse vom Kongress ausgehen könnten. Sein Appell: „Der DIVI2019 wird eine Bereicherung für jeden Menschen sein, der daran teilnimmt – auch wenn es nur für einen Tag oder eine Stunde ist. Wir haben ein umfassendes Programm mit zahlreichen Highlights – und Themen werden auch nicht nur einmal, sondern mehrfach an verschiedenen Tagen mit unterschiedlichen Aspekten präsentiert. Es ist ganz sicher für jeden etwas dabei.“

Herr Prof. Böttiger, was wird in Hamburg anders sein als in den Vorjahren in Leipzig? 

Der DIVI-Kongress wurde in Hamburg geboren und ich freue mich, dass er sozusagen in die Heimat zurückkehrt. Es ist großartig, Anfang Dezember in so einer Weltstadt zu sein und Menschen zu treffen, die sich mit Intensiv- und Notfallmedizin beschäftigen. Dabei sind auf dem Kongress dieses Jahr alle Sektionen der DIVI mit Programmbeiträgen vertreten. Das heißt, wir haben ein maximal breites Spektrum an Themen, Referentinnen und Referenten und wir sind maximal interdisziplinär und interprofessionell aufgestellt.

Dieses Jahr haben wir zudem ganz besonderen Wert auf interaktive Sitzungen gelegt und das Programm entsprechend weiter bereichert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen sich außerdem auf einige Brillanten im Bereich der Notfallmedizin freuen, die dieses Jahr auch eine besonders große Rolle spielen wird.

Welche Brillanten sind das?

Die Wiederbelebung ist ein großes Thema. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist die Resilienz. In der Notfallmedizin – und natürlich auch in der Intensivmedizin – ist es besonders wichtig, nicht nur auf den Patienten zu achten, sondern auch auf sich selbst. Auf dem Kongress werden wir diskutieren, was wir dazu beitragen können, dass WIR uns bei der Arbeit auch wohlfühlen und wie wir unsere Energiereservieren bewahren, wieder auffüllen und sinnvoll einsetzen.

In der Notfall- aber auch in der Intensivmedizin arbeiten viele Berufsgruppen eng zusammen. Wie bringen Sie die Zielgruppe aus Ärzten, Pflegende und Therapeuten in Hamburg unter einen Hut? 

Wir haben unsere Sektionen von Anfang an möglichst interdisziplinär und interprofessionell besetzt und so ist auch ein entsprechendes Programm für den Kongress entstanden. Professor Kluge, der wissenschaftliche Leiter des Kongressprogramms, zahlreiche weitere Ideengeber und ich haben außerdem sehr darauf geachtet, dass nicht nur die verschiedenen Fachgebiete repräsentiert werden, sondern auch die pflegerischen und weitere therapeutischen Bereiche. So gut wie alle unserer Sitzungen sind interdisziplinär, häufig auch interprofessionell – das regt ganz sicher die Kommunikation und Interaktion, aber auch den Wohlfühlfaktor unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an.

Wie wird von all diesen Interessensgruppen das Kongressmotto „Kooperation führt zu Entwicklung“ gelebt? 

Meine Erfahrung ist sowohl im klinischen als auch im organisatorischen Bereich, dass die größte Verbesserung bei der Gesundheitsversorgung und der Patientenversorgung, aber auch bei der Arbeitssituation vor allem dann gelingt, wenn die unterschiedlichen Fachbereiche und -gebiete miteinander im guten Austausch stehen und interdisziplinär denken und agieren. Der DIVI-Kongress ist dafür eine ganz wichtige Plattform und eine Chance, um die unterschiedlichen Fächer und Spezialitäten der Intensiv- und Notfallmedizin noch intensiver zusammenzubringen. Das Beste können wir nämlich nur gemeinsam bewegen.

In welchen Bereichen bräuchten wir noch mehr Kooperation? 

Ich glaube, jeder einzelne kann unter dem Motto „Kooperation führt zu Entwicklung” in seinem Bereich ganz wesentliche Impulse setzen. Dazu gehört natürlich auch, die Sicht anderer zu beachten, zuzuhören und sich mit Respekt zu begegnen. Ein Krankenhaus ist schließlich keine Fabrik – es gibt ganz unterschiedliche Bereiche, die entsprechend gut miteinander arbeiten müssen. Pflegende und Ärzte müssen miteinander kommunizieren, aber auch die Kooperation zwischen allen konservativen und operativen Partnern, der Anästhesiologie und der Intensivmedizin ist sehr wichtig, und natürlich muss auch in Notfallzentren und Notaufnahmen die Kooperation stimmen.

Auch vor diesem Hintergrund werden praktische Workshops immer wichtiger. Welchen Stellenwert haben diese auf dem DIVI-Kongress?

Der Trend geht auf jeden Fall dahin, nicht nur zu konsumieren, sondern sich auch interaktiv einzubringen. Wir werden dieses Jahr eine Workshop-Fläche anbieten, auf der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer live ihre Fähigkeiten für Situationen trainieren können, in denen es im Team wirklich um Sekunden oder Minuten geht. Das lässt sich auf einem Kongress besonders schön trainieren, weil die unterschiedlichen Kompetenzen und Professionalitäten vor Ort verfügbar sind.

Es gibt zahlreiche weitere Formate: Wo glauben Sie, liegt am Ende der größte Erkenntnisgewinn? 

Wir werden 120 Sitzungen und 400 bis 500 Referentinnen und Referenten und Vorsitzende haben – natürlich kann man da nicht jeden einzelnen Vortrag besuchen. Wir haben dabei verstärkt darauf geachtet, dass Themen möglichst nicht parallel angeboten werden und man sich so seinen individuellen Interessenskorridor durch den Kongress bahnen kann. Ich glaube, es werden alle Bedürfnisse befriedigt und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden vom Kongress mit einem hochsoliden Update zur Intensiv- und Notfallmedizin nach Hause fahren.

Für Sie mit langjähriger Berufserfahrung: Bei welchen Veranstaltungen treffen wir Sie? 

Na, bestimmt bei vielen, und ganz sicher bei unserem „KIDS SAVE LIVES“-Event am Vortag des Kongresses und natürlich bei der Eröffnungsveranstaltung! Wir haben hier u.a. Minister Spahn und Eckart von Hirschhausen zu Gast. Es ist eine große Ehre, den Bundesgesundheitsminister in Hamburg begrüßen zu dürfen und ich bin gespannt, welche Themen er ansprechen wird. Wer eine Rede für 6.000 Menschen vorbereitet, wird sich sehr gut mit Themen aus Intensiv- und Notfallmedizin im Vorfeld auseinandersetzen. Das ist ganz sicher ein großer Gewinn. Und wir werden hoffentlich auch die Möglichkeit haben, ihm ein paar unserer Gedanken zur Situation der Intensiv- und Notfallmedizin mit auf den Weg geben zu können.

Auch auf Eckart von Hirschhausen freue ich mich persönlich sehr, da wir im Bereich der Wiederbelebung bereits intensiv zusammengearbeitet haben und auch, da er den einen oder anderen Aspekt im Gesundheitswesen hinterfragt und kritisch anleuchtet.

Welche Themen stehen hier politisch für Sie auf der Agenda?

Es gibt über 2.000 Krankenhäuser in Deutschland – und wir müssen uns unbedingt überlegen, ob sie tatsächlich alle notwendig sind. Die Qualität wird insbesondere dort aufrechterhalten, wo bestimmte Eingriffe oder Maßnahmen mit einer bestimmten Häufigkeit durchgeführt werden. Weniger Krankenhäuser würden außerdem mehr Pflegepersonal und ärztliches Personal für die verbleibenden bedeuten. Ich höre auch immer wieder, dass in Krankenhäusern inzwischen Maßnahmen teilweise maßgeblich auch deshalb durchgeführt werden, weil man Geld damit verdienen kann und nicht, weil sie das Beste für den Patienten sind. Das ist eine Entwicklung, der Einhalt geboten werden muss. Hier ist die Politik gefordert, auch Krankenhäuser sozialverträglich zu schließen und diese Fehlentwicklung im Bereich der Anreizsysteme zu korrigieren.

Gibt es weitere Aspekte?

Ich würde mir ebenfalls wünschen, dass auch in der Bevölkerung schon in jungen Jahren ein Gesundheitsbewusstsein etabliert wird. Neben Wiederbelebung – deren Kenntnis eine „Bürgerpflicht“ sein sollte – auch in der Ernährung und der Bewegung. Hier würde ich mir auch deutlich mehr Aktivitäten auf Seiten des Gesundheitsministeriums und der Politik wünschen, um diese Themen noch viel intensiver und bundesweit in die Schulen zu bringen. 

Außerdem brauchen wir in unseren Krankenhäusern und Gesundheitsorganisationen eine Kultur, die dazu führt, dass die Mitarbeiter viel mehr wertgeschätzt werden und dort auch gerne arbeiten. Das Wichtigste sind – neben den Patienten – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus. Ich würde mir hier auch von der Politik und der Führung in den Krankenhäusern wünschen, dass die Interessen der Mitarbeiter im hohen Maße mit einbezogen werden und Mitarbeiterorientierung und Wertschätzung eine höhere Priorität einnehmen.

Was raten Sie medizin-politisch Interessierten, die sich vor Ort einbringen möchten? 

Gehen Sie in die Sitzungen der Sektionen, die Sie interessieren, diskutieren Sie ordentlich mit und vielleicht entscheiden Sie sich im Nachgang sogar dafür, in einer Sektion der DIVI mitzuarbeiten! Dort kann jeder aktiv dazu beitragen, auf Ebene unserer interdisziplinären und interprofessionellen Fachgesellschaft sehr lohnende politische Ziele zu verfolgen und zu erreichen.

Weitere Informationen unter: www.divi2019.de